Als wir am 27.Februar in Windhoek landeten, war das schon ein flaues Gefühl im Magen. Ein Airport mitten in der Steppe, zugegeben mit einem hübschen neuen Abfertigungsgebäude, das aber neben dem Airbus eher klein aussieht.Vierzig Kilometer fährt man noch mit dem Bus bis Windhoek. Dort wartet hoffentlich schon unser vorab gebuchter Mietwagen. Gut ausgerüstet sind wir, jede Menge Fresserei, Sonnenschutz, Reiseapotheke und sogar eine 12Volt-Kühltasche schleppen wir mit uns herum. Trotzdem, Afrika ist eben etwas Neues, deswegen das flaue Gefühl. Das Abenteuer ruft, und in Afrika ruft es noch besonders laut.
In Windhoek bekommen wir problemlos den Wagen, eine schnuckelige Promenadenmischung aus Golf I und Golf II südafrikanischer Produktion. Der Tacho steht bei 8280. Drei Wochen später sind es 15600. Die markantesten Orte auf unserer Route habe ich beschrieben.
Eine Karte (330k) zur Orientierung gibts bei der Perry-Castañeda Library Map Collection.
Lüderitz ist der einzige vernünftige Hafen auf den 700 Kilometern Küste zwischen Walvisbay im Norden und Oranjemund im Süden. Seine Blüte erreichte es mit den Diamanten aus Kolmannskuppe, einer Siedlerstadt, die nicht weit entfernt auf dem Kontinentalplateau liegt. Größtes Problem war hier immer das fehlende Hinterland: Entlang des Atlantiks erstreckt sich hier in einer Breite von 100 Kilometern die Namib-Wüste. Durch den Bau einer Eisenbahn und später einer Straße wurde Lüderitz an den restlichen Teil des Landes angeschlossen, aber trotzdem ist es eine Zivilisationsinsel in der Wüste. Der Wohlstand, der noch von den Diamanten übriggeblieben ist, vermittelt einen angenehmen und freundlichen Eindruck, aber letztendlich sagen sich hier Fuchs und Hase "Gute Nacht".
Wer zum ersten Mal die Wüste erlebt, den wird die Fahrt nach Lüderitz beeindrucken. Hat man erstmal Aus, den letzten Ort, hinter sich, erstrecken sich rechts und links die vor Hitze glühenden Weiten der Namib. Soweit das Auge reicht einfach nur roter Sand, und immer wieder ein paar Höhenzüge. Das Klima wird zum Meer hin immer angenehmer, trocken aber etwas kühler. Schliesslich wird der Sand gelb, der Wind stärker und zunehmend gibt es Verwehungen auf der Straße. Es beginnt die Abfahrt von Kontinentalplateau hinunter auf Meereshöhe.
Lüderitz ist eine hübsche Stadt, mit einem provozierend europäisch aussehenden Kirchlein auf einer Anhöhe. Einfach fantastisch ist der Zeltplatz gelegen, auf Shark Island, das durch einen Damm mit dem Festland verbunden ist. Hier kann man es eine Weile aushalten.
Am nächsten Tag geht es nach Kolmannskuppe: die ehemalige Diamanten- und jetzt Geisterstadt. Der Lüderitzer Förderverein organisiert einen ansprechenden Rundgang. Irgendwie eigenartig, dieser vergangene Reichtum und der schnelle Verfall. In den meisten Häusern steht meterhoch der Sand in den Räumen. Es gibt ein Krankenhaus, ein Gemeindezentrum mit Tanzsaal, Turnhalle und Kegelbahn. Auch Eismaschinen für die Kühlschränke konnte man sich leisten. Vieles ist noch gut erhalten, mit einem Wort: Geschichte zum Anfassen.
Hier bietet sich die beste Gelegenheit, Wüste hautnah zu erleben.
Am Eingangstor des Namib-Naukluft Parks wird man erstmal abgezockt. Der Canyon liegt etwas abseits. Sonderlich groß ist es nicht, aber sehr eng. Das hat den angenehmen Effekt, daß es unten drin relativ kühl ist. Der Sesriem war einmal eine wichtige Raststätte auf dem Weg ins Landesinnere, denn am Boden des engen Canyons stehen immer wenigstens ein paar schmutzige Wasserpfützen. Wir sind ein Stück nach Westen gegangen, aber nach einer Weile öffnet sich die Schlucht, und dementsprechend heißer wird es. Eine Hauptattraktion ist das nicht, aber wenn man schon mal hier ist, lohnt es sich.
Zum Sossusvlei ist es noch ein ganzes Stück. Auf dem Weg kommt man an der Dune 45 vorbei. Ob das nun die schönste oder größte Düne am Straßenrand ist, weiß ich auch nicht. Auf jeden Fall macht es einen Heidenspaß, da hinaufzuklettern und dann mit Riesenschritten wieder herunterzurutschen.
Fünf Kilometer vor dem Sossusvlei ist für Nicht-Allradler Schluß. Man stellt das Auto ab, und läuft auf einer zerfurchten, sandigen Piste in die Wüste hinein. Die Hitze sollte man nicht unterschätzen. Selbst mit Sonnenhut und -brille und einer gutgefüllten Trinkflasche im Rucksack ist der Weg anstrengend. Dann kommt das eigentliche Ziel. Ein Tal, umgeben von malerischen Sanddünen, dessen Grund sich alle zehn Jahre mal mit Wasser füllt. Dadurch kann sich hier ein wenig Vergetation halten. Unter den Bäumen ist eine kleiner Picknickplatz eingerichtet. Die Sonne nähert sich dem Horizont, und im roten Abendlicht ist die Wüste gleich nochmal so schön.
Der Rückweg zum Auto ist durch die abendliche Kühle ein glatter Spaziergang. Zur Orientierung kann man beim Laufen in der Mittags- und Nachmittagshitze getrost alle Entfernungen verdoppeln, oder man läßt es besser gleich bleiben. In der Dämmerung fahren wir los, und in stockfinsterer Nacht reiten wir auf dem Zeltplatz am Parktor ein.
Fährt man wie wir mit einem Nicht-Allradler auf der 3760 nördlich, ist bei Sesfontein Sense. Der Wirt in der vornehmen aber netten Lodge erklärt uns glaubhaft, das wir mit unserem Auto keinesfalls weiter fahren können. Trotzdem gibt es für uns einen Weg zu den Epupa Falls, den wir befahren können: Die 3700 von Opuwo aus. Leider müssen wir dazu ein großes Kringel drehen, aber für die Epupa Falls lohnt sich das auf jeden Fall.
Ab Otjijanjasemo wird es richtig abenteuerlich. Der Wirt hatte recht, die Strecke ist für einen PKW "noch" zu befahren. Fragt sich nur in welchem Tempo. Der erste Gang tritt aus seinem Schattendasein ins Zentrum aller Bemühungen. Hin und wieder mal Sandlöcher, aber das ist nicht das Problem. Die Steine auf der Straße lächeln lustvoll nach unserem Unterboden. Wenn man sich verschätzt, macht das sich mit einem lauten "Klonck!" im Auto bemerkbar. Teilweise zum Flussbett geworden, queren tiefe Rinnen die Straße.
Immer mal wieder Gegenverkehr, natürlich alles Geländewagen. Auf die Frage, wie weit es denn sei, und ob wir es schaffen können, lächelt mich ein schwarzer Tourist Guide aus seinem Jeep an und meint "drive slowly, be patient, and you'll get there." Na super. Später werden wir für die 76 Kilometer einen Schnitt von 15 km/h ausrechnen.
Beinahe hätten wir die Nerven verloren und wären umgekehrt. Doch plötzlich liegt es vor uns: der glitzernde Kunene, Palmen am Ufer und das durchdringende Rauschen des Wasserfalls. Der Fluss fällt hier in eine 30m tiefe Schlucht, es steigt feiner Nebel auf. Am Rande der Schlucht mächtige Baobabs.
Direkt am Wasserfall zwischen den Palmen liegt der Zeltplatz. Die sanitären Anlagen sind in witzigen kleinen Strohhüttchen untergebracht. Alles ist sehr gemütlich, nur am Abend kommen die Mücken. Am nächsten Tag fahren wir den gleichen Weg wieder zurück. Wir kennen nun die Strecke, und so ist der Streß zwar der gleiche, aber die Geduld etwas größer. Die Erlösung kommt, wenn man nach fünf Stunden Fahrt mal wieder in den dritten Gang hinaufschalten kann - einfach wunderbar!
Der Etoscha Nationalpark rund um die Etoschapfanne ist die touristische Hauptattraktion des Landes. Was zu Hause nur im Zoo zu besichtigen ist, kann man hier in freier Wildbahn erleben: Elefanten, Löwen, Giraffen, Zebras etc. Allerdings haben wir uns dazu nicht die optimale Zeit herausgesucht. Die meisten Tiere kann man am Ende der Trockenzeit beobachten, wenn das große Gedränge an den wenigen verbliebenen Wasserstellen herrscht.
Wir kommen gegen Abend am westlichen Eingangstor an. Der Eintritt hat sich gewaschen, aber die Wächter machen einen freundlichen Eindruck. Wir fahren die schnurgerade Asphaltstraße hinein, und plötzlich ist es soweit. Die erste Giraffe - einfach so auf der Straße im Gegenlicht der untergehenden Sonne. Dann noch mehr, aus den Bäumen gucken ihre Köpfe, als ginge sie der Tourismus nicht das geringste an. Dann wird es schnell dunkel, und wir lassen uns auf dem gut umzäunten Zeltplatz von Namutoni nieder.
Am nächsten Morgen sind wir relativ früh auf, und erkunden den nördlichen Teil des Parks. An fast jedem Wasserloch gibt es Giraffen zu sehen (schooooon wieder Giraffen...), dazu Zebras, Springböcke und Oryx-Antilopen. Einmal können wir auch eine Herde Elefanten beobachten. Leider zuweit entfernt für das Teleobjektiv, und es werden auch die einzigen Elefanten bleiben, die wir tagsüber zu sehen bekommen. Am Nachmittag gibt es dann auch Kudus, das Wappentier Namibias mit den langen spiralförmigen Hörnern.
Wieder mal kurz vorm Dunkelwerden reiten wir in Halali ein, dem kleinsten Camp im Park. Hier gibt es ein beleuchtetes Wasserloch. Man setzt sich auf die noch warmen Steine, und wartet der Dinge die da kommen. Die Beleuchtung ist toll, erstens ist es sehr hell, zum anderen lenken die Scheinwerfer die Mücken ab. Nur die Fauna wollte an diesem Abend nicht mitspielen, zwischen halb elf und um eins habe ich auf den vereinsamten Tümpel gestarrt, und noch nicht ein Tier hat sich blicken lassen.
Der nächste Tag ist nicht so ergiebig. Im südlichen Etoscha gibt es wesentlich weniger Tiere, und außerdem sind wir schon etwas verwöhnt. Dafür wird der Abend ein voller Erfolg. Wir haben unser Zelt in Okaukuejo aufgestellt, dem dritten Camp nahe des südlichen Parktores. Auch hier gibt es ein beleuchtetes Wasserloch, und den gestrigen Reinfall todesmutig verachtend lege ich mich wieder auf die Lauer. Von der Anlage her ist das Wasserloch in Halai schöner, weil kleiner und gemütlicher. Das gilt übrigens für das ganze Camp Halali. Aber dafür hatte ich in Okaukuejo mit den Tieren Glück. Gegen halb elf raschelt es im Busch. Erst sieht mal nur einen dunklen Schatten, dann kommt ein riesiges Nashorn aus dem Busch. Es säuft sich ausführlich einen an und verschwindet wieder zwischen den Bäumen. Es ist alles sehr schnell gegangen, aber trotzdem ist es ein einmaliges Erlebnis.
Halb zwölf raschelt es wieder. Das Rascheln dauert lange, es wird lauter und im nächsten Moment drängt sich eine Herde Elefanten am Wasserloch. Es sind acht Alttiere und fünf Junge. Diesmal dauert es länger, die Alten trinken, die Kleinen planschen ein wenig. Irgendwann gibt der Chef das Signal zum Aufbruch, und die Herde verschwindet wieder im Busch. Soetwas hatte ich noch nie gesehen, und es war ohne Zweifel einer der Höhepunkte des ganzen Urlaubs.
Um zwölf kommt noch mal ein Nashorn. Diesmal eine Mutter mit Kind. Das Kleine ist noch recht tapsig, und in dieser Größe durchaus als niedlich zu bezeichnen. Die Mutter beobachtet sorgfältig die Umgebung, und hält sich immer zwischen Jungem und dem Busch. Nur die Touristen würdigt sie keines Blickes.
Halb eins krieche ich todmüde, aber glücklich in den Schlafsack. Der nächste Tag war auch nicht so großartig. Am Nachmittag verlassen wir den Etoscha in Richtung Spitzkoppe.
Schon wieder so ein deutscher Name. Die Spitzkoppe, so heißt es in allen Reiseführern, ist das Matterhorn Namibias. Na ja, das Matterhorn kenne ich nicht, aber die Spitzkoppe ist einfach wunderschön.
Als wir nachmittags den Etoscha bei Okaukuejo verließen, sind wir mit einem kleinen Gewaltritt bis zur Spitzkoppe gefahren. Über die weite Ebene erheben sich majestätisch zwei rundgeschliffene Felsen. Das rote Gestein in der tiefroten Abendsonne sieht einfach toll aus. Wir sind die einzigen. Lange kurven wir herum, bis wir schließlich einen perfekten Platz zum Zelten finden: Etwas abseits des Fahrweges zwischen großen Felsblöcken versteckt. Auf der einen Seite erhebt sich die Große Spitzkoppe, auf der anderen die kleine. Am letzten Tag haben wir noch den besten Zeltplatz während der ganzen Fahrt.
Am nächsten Morgen sind wir zeitig auf. Wir wollen nach oben, wenigstens soweit es der Berg und die Sonne zuläßt. Wir finden einen etwas halsbrecherischen Weg über die Südseite, der uns schnell auf Höhe bringt. Alle zehn Meter wird der Ausblick bombastischer. Wir klettern über große und kleine Felsen und kommen am Ende auf ein kleines Felsplateau, etwa auf halber Höhe. Es ist um zwölf, und die Sonne schaltet langsam von Schmoren auf Grillen um. Also geben wir uns mit dem Erreichten zufrieden und geniessen den schönen Ausblick.
Der Abstieg über den Nordhang erweist sich dann als viel einfacher - zum Glück denn um diese Zeit sollte man eigentlich schon Siesta machen, oder wenigstens irgendwo im Schatten sitzen.
Erstellt von Ralf Wiebicke, letzte Änderung 14. August 1997